Gebr. Hundt - die Planer

Seit März 2006 steht die "Westliche Riederwaldsiedlung" als Gesamtanlage unter Denkmalschutz. Gemäß § 2 Abs. 2 (2) sind Kulturdenkmäler Straßen-, Platz- und Ortsbilder einschließlich der mit ihnen verbundenen Pflanzen, Frei- und Wasserflächen, an deren Erhaltung insgesamt aus künstlerischen oder geschichtlichen Gründen ein öffentliches Interesse besteht (Gesamtanlagen). Nicht erforderlich ist, daß jeder einzelne Teil der Gesamtanlage ein Kulturdenkmal darstellt. In der Liste der Hess. Denkmäler http://denkxweb.denkmalpflege-hessen.de/ kann man nach einzelne Adressen in der Riederwaldsiedlung suchen - wie z.B. Max-Hirsch-Straße 55 aber auch die Pestalozzischule (Vatterstraße 1), Engelsplatz oder die alten Häuser am Erlenbruch. _____________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

Gebr. Hundt - die Planer der Gartenstadtsiedlung Riederwald


Die Idee einer Gartenstadtsiedlung entstand in England am Ende des 19. Jahrhunderts.
Wichtige Impulse innerhalb der
Gartenstadtbewegung kamen von Camillo Sitte und Ebenezer Howard.


In Frankfurt waren die Gebrüder Hundt die Ersten, die eine gesamte Siedlung für ein genossenschaftliches Zusammenleben bauen sollten. Sie übernahmen viele der Anregungen der Gartenstadtbewegung in die Planung der Riederwaldsiedlung. Die damals noch junge Genossenschaft Volks- Bau- und Sparverein eG übertrug ihnen die Aufgabe, nicht nur die Architektur der Häuser, sondern auch die Infrastruktur der Siedlung - eines neuen Stadtteils - und einer neuen Form des Wohnens - des genossenschaftlichen Zusammenlebens - zu planen und auszuführen.

Unter Denkmalschutz - Gebäude der Gebr. Hundt in Bornhein - Fotogalerie - bitte auf ein Bild klicken


Hynspergstraße 19

Hynspergstraße 21

Hynspergstraße 23

Hynspergstraße 25

Hynspergstraße 27

Hynspergstraße 29

Klettenbergstraße 32

Klettenbergstraße 34
 


Quelle: Bebilderte Chronik des Frankfurter Nordends

Leider ist nur noch sehr wenig über die Arbeiten und die Gebrüder A. und H. Hundt überliefert. Einige ihrer Gebäude sind ins Denkmalbuch der Stadt Frankfurt aufgenommen – so sind z.B. in der Bebilderten Chronik des Frankfurter Nordends folgende Baudenkmäler aufgelistet, beschrieben und fotografiert: die Hynspergstraße 19,21,23 und 25/27/29 und die Klettenbergstraße 32/34. Diese im Jahr 1903 gebauten Mehrfamilienhäuser haben noch deutliche Anklänge an den Jugendstil.

Die Riederwaldsiedlung (Baubeginn 1910) wurde dagegen bereits im Heimatschutzstil erbaut -
ein Architekturstil der architektonischen Moderne, der 1904 erstmals beschrieben wurde
und bis 1945 seine Blüte hatte. Bekannt ist auch, dass der eine Bruder sehr jung verstarb
und die Arbeiten vom zweiten Bruder allein weitergeführt wurden. Dieser war für die
Planung und Durchführung des Baus der Riederwaldsiedlung zuständig und
bis 1936 für den VBS tätig. Danach verliert sich seine Spur.

Riederwaldsiedlung - architektonische Details - Fotogalerie - bitte auf ein Bild klicken


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Eine Arbeitersiedlung - oder Arbeiterkolonie - zu bauen, war damals ein völlig neuer Denkansatz:

'Im Kontext von Mietskasernen, Villenkolonien, Werkswohnungsbau und Gartenstadt
suchten die Architekten der Jahrhundertwende die neue Bauaufgabe für "Arbeiterkolonien" zu lösen.
Noch 1905 äußerte sich Karl Henrici über dieses Problem:

" W a s   i st   e i n e   s o l c h e   A r b e i t e r k o l o n i e?
so lautet die Antwort: sie ist weder eine Stadt,  noch ein Dorf.
Sie ist von beiden etwas und ist doch etwas Eigentümliches, von Dorf und Stadt Unterschiedliches;
und da sie, nach den heute an sie zu stellenden Anforderungen, als ein durchaus
neuzeitliches Gebilde angesehen werden muß, für das es keine historischen Vorbilder gibt,
so gestattet und verlangt sie auch in ihrer äußereren Erscheinung etwas zu werden,
dem man die Neuheit und die Abstammung aus dem großen Organisationsprinzip,
das unsere Zeit und das namentlich die Industrie beherrscht, anmerkt.
Ein sachliches Vorgehen wird dies ganz von selbst mit sich bringen".

Karl Henrici, Arbeiterkolonien in: Die künstlerische Gestaltung des Arbeiter-Wohnhauses S. 59-71,1905 zitiert nach:
(Dr.) Brigitte Klebac, Frühes genossenschaftliches Bauen in Frankfurt am Main am Beispiel der Riederwaldkolonie, 1989, S. 1


Die Genossenschaft hatte das bis dahin unbewohnte sumpfige Gelände weit außerhalb der damaligen Stadtgrenzen von der Stadt Frankfurt erworben. Zwischen 1910 bis 1926 entstanden die Häuser der Siedlung - trotz Krieg, Inflation und Massenarbeitslosigkeit im typischen Heimatschutzstil mit den hohen Walmdächern und den Gauben, alle einander ähnlich, aber doch jedes Haus ein wenig anders - die Vordächer, die Eingänge, große und kleinere Blocks - eine grundlegende Normierung mit vielen möglichen individuellen Gestaltungsmöglichkeiten. Neu war auch, daß hier nach englischem Vorbild - fern der räumlichen Enge der Altstadt - jedem Haus, jeder Wohnung ein Stück Garten zugeteilt wurde. Sonne und Luft, Weitläufigkeit, Grün - eine Gartenstadtsiedlung - für die Arbeiter und ihre Familien, die Bewohner der neuen Siedlung, ein unglaublicher Gewinn an Lebensqualität.

Dieser Anfang - fern der Stadt und umgeben von Wald und Sumpf - war sehr mühsam
Dazu ein Bericht von Paul Quanz in: 25 Jahre Riederwald-Colonie 1911-1936, S. 16f:

„Es war an einem schönen Sonntagnachmittag, als wir wieder solch einen Spaziergang unternahmen.
Wir gingen unseren gewohnten Weg am Bornheimer Ratskeller herunter. Unter großem Staunen stellte ich fest,
dass unten auf dem Wiesen- und Sumpfgelände, am Rande des Waldes, viele hohe Gerüststangen herausragten.
Meine Neugierde lies mir keine Ruhe. Ich frug meinen Vater, was dies zu bedeuten hätte, worauf er mir erwiederte:
“Ei, da werrn Häuser hiegestellt“. Diese Antwort machte auf mich einen sonderbaren Eindruck, denn in einer Gegend,
die nach meiner Ansicht eine sehr unheimliche war, baut man doch keine Häuser. Aber man durfte sich noch so sehr wundern,
man wurde bald eines anderen belehrt. Die Bauten wuchsen von Tag zu Tag und im Februar 1911 zogen auch schon
die ersten Bewohner in diese niedlichen kleinen Häuschen ein. Der Anfang der Riederwald-Kolonie war nun da,
zierlich erhoben sich die roten Dächer der Häuser von den im Hintergrund stehenden hohen Tannen ab.“

 



Der Dreiklang der Formen

Eines der herausragenden Gestaltungsmerkmale dieser Häuser ist die konsequente Dreiteilung
Dieser durchgängige Rhythmus macht die Harmonie der Siedlung aus:

  • - in der Horizontalen: 3 manchmal 5 Häusereinheiten in Blockform
  • - in der Vertikalen: 3 Wohneinheiten pro Haus außerdem Mansarden, Trockenboden und Keller
  • - bei den Materialien:
      Dächer mit roten Bieberschwänzen oder schwarzen Schieferschindeln,
      Fachwerkbalken, Holzvertäfelung und heller Putz
      farbig gefaßte Holztüren und -blendläden

Zwar sind sich alle Häuser ähnlich: hohe Walmdächer, Gauben, 3 Wohnetagen, und doch gleicht kein Haus dem anderen. Die Gebr. Hundt haben mit einer Vielzahl von Formelementen gearbeitet, die sie bei jedem Häuserblock anders einsetzten: die Hauseingänge, die Vordächer sind in keinem Haus dieselben.

Für die Kinder war es einfach - sie mussten keine Hausnummern lesen können, sie orientierten sich an den Vordächern oder den Eingängen, nicht an Hausnummern, um wieder nach Zuhause zu finden.


Einen ganz anderen Ansatz zur Bekämpfung der enormen Wohnungsnot verfolgte nur wenige Jahre später – 1926 - 1927 Ernst May beim Bau des östlichen Teils der Riederwaldsiedlung als Architekt und neuer Frankfurter Siedlungsdezernent. Er und sein Planungsstab entwickelten hier die frühen Anfänge des Projekts Neues Frankfurt.

Suchte Ernst May die kostengünstige serielle Herstellung von Wohneinheiten zur Behebung der immer drängender werdenden Wohnungsnot, waren die genossenschaftlichen Gebäude für die Facharbeiterschaft konzipiert und mit einer für die damalige Zeit erstaunlichen Ausstattung vorgesehen: die sog. Kleinwohnungen hatten - bis auf wenige Ausnahmen - Bad und Toilette innerhalb der Wohnung. Jeder Wohnung stand auch ein Stück Garten zu, das zur Erholung gedacht war. Nur in Notzeiten (1. Weltkrieg, Inflation und Massenarbeitslosigkeit) wurden die Gärten zur Versorgung - als Nutzgärten angelegt. Mit der Ladenzeile und dem Volkshaus wurde das Zentrum der Siedlung geschaffen - mit Läden und Werkstätten für die vielen kleinen Handwerksbetriebe, die sich hier schnell ansiedelten.  Eine Schule - anfänglich in einer Holzbaracke für die vielen Kinder der Arbeiterfamilien wurde sehr bald zu klein und ausgebaut.
 

Die Riederwaldsiedlung wuchs unaufhaltsam. Sie wurde von den Frankfurtern verächtlich
die "Negersiedlung" (weil die Kinder - anders als die der Innenstadt - durch frische Luft gebräunt waren),
die "Rote Kolonie", weil hier vor allem die "Roten" wohnten -
die Sozialdemokraten im genossenschaftlichen Teil,
die Kommunisten in den später gebauten Häusern des Neuen Frankfurt (heute ABG).

So wie sich die Zusammensetzung der Riederwälder Bevölkerung vor allem seit dem 2. Weltkrieg änderte
- so kann man heute den Riederwald auch nicht mehr politisch eindeutig verorten. Allerdings -
im Riederwald erhält die SPD bei den Wahlen immer noch die meisten Stimmen.


Die Menschen, die damals hier eine Heimat gefunden hatten nach der Enge der Lebensverhältnisse in der Frankfurter Altstadt - waren stolz auf ihre Siedlung und blieben ihr verbunden - nicht wenige wohnen und/oder arbeiten heute bereits in der 3./4. - ja sogar 5. Generation im Riederwald. Die Riederwälder Genossen haben nach den Bombenabwürfen in den letzten Jahren des 2. Weltkriegs die Schäden in ihren Wohnungen und Siedlungshäusern in Eigeninitiative beseitigt und in Zeiten, in denen die Verwaltung des VBS sich vor allem um die Beseitigung der Kriegsschäden kümmerte und in ein umfangreiches Neubauprogramm engagierte, ihre Wohnungen auf eigene Kosten instand gehalten. 

Die Verbundenheit mit der Genossenschaft und der Siedlung ist überdurchschnittlich hoch. Wenn auch der sog. Ausländeranteil im Riederwald über dem durchschnittlichen Prozentsatz in Frankfurt liegt, ist es doch erstaunlich, wie gut in diesem kleinen, verschlafenen Nest die Integration funktioniert. Man kennt sich, man hilft sich - auch heute noch. Der Riederwald ist einer der ärmsten Stadtteile der Stadt, aber ganz sicher kein sozialer Brennpunkt. Ein Stadtteil im Dornröschenschlaf titelte einmal eine Zeitung. Wer hier wohnt, weiß die Vorteile zu schätzen und will bleiben.


 

 

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